Quoten alleine reichen nicht

Rund 200 Frauen und Männer haben am 27. April am Anlass «Frauen an Bord! Funktionieren Quoten?» teilgenommen. Der Abend wurde gemeinsam organisiert von Juristinnen Schweiz, Business Professional Women BPW Switzerland und der Schweizer Kader Organisation SKO. Auf dem von Colette Gradwohl, stv. Chefredaktorin der NZZ, geleiteten Podium sind Verhaltensökonomin und Harvard-Professorin Iris Bohnet und der deutsche Topmanager Thomas Sattelberger, die sich seit Jahren mit Gleichstellung befassen, zum gleichen Schluss gekommen: Ein Kulturwandel ist dringend nötig, um die Gleichstellung in der Wirtschaft zu erreichen. Eine Frauenquote alleine reicht dafür nicht.

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Sie ist Professorin, Verhaltensökonomin und steht voll im Berufsleben. Er ist Topmanager, kommt aus der Personalbranche und ist im Unruhestand. Und trotz dieser Gegensätze sind Iris Bohnet und Thomas Sattelberger, die sich seit Jahren mit Gleichstellung befassen, zum gleichen Schluss gekommen: Ein Kulturwandel ist dringend nötig, um die Gleichstellung in der Wirtschaft zu erreichen. Eine Frauenquote alleine reicht dafür nicht.

Bohnet konnte aus einem reichen Fundus an wissenschaftlichen Studien schöpfen (auf dem Gender Action Portal der Harvard Kennedy School zu finden), die beispielsweise aufzeigen, wie anonymisierte Lebensläufe oder die Rekrutierung über das Stellen einer Aufgabe statt über den Lebenslauf dazu führen, dass die Diversität im Personal erhöht wird – wohingegen „Diversity Trainings“ dazu nichts beitragen.

Sattelberger verwies auf die Erfahrung aus Deutschland, wo die (flexible) Frauenquote eigentlich nur „100 Frauen zu gut bezahlten Verwaltungsratsmandaten verholfen“, die Kulturreform aber nicht stattgefunden habe. Dies stellt er mit einem gewissen Bedauern fest – hat er doch damals selber bei der Führung der Deutschen Telekom die 30%-Frauenquote eingeführt.

In der anschliessenden Diskussion knüpfte Moderatorin Colette Gradwohl an der Schweizer Aktualität an: Der Nationalrat hat eben die Aktienrechtsrevision, die eine Quote vorsah, aus der Legislaturplanung gekippt. Gradwohl wollte von den beiden Gästen wissen, welchen Knopf sie bei der Frage der Frauenquote gedrückt hätten – den grünen oder den roten. Nach langem Ringen entschied sich Sattelberger für den grünen: „Man will ja nicht rückständig sein“, Bohnet hingegen würde enthalten „weil ich als Wissenschaftlerin nuancierter denke“: „Die Frauenquote ist keine Antwort“, erklärte sie, „doch manchmal kann sie etwas in Bewegung setzen“.

Als erfolgreiches Beispiel erwähnten die beiden Grossbritannien, wo der Wandel dank einer Koalition von Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft, vertreten durch NGOs, eingeläutet wurde, während andernorts meist Frauenverbände alleine, allenfalls noch mit der Politik, für Quoten und den Wandel kämpfen. Doch ohne Wirtschaft gehe es nicht, betonte Sattelberger – „und auch die Zivilgesellschaft muss dabei sein, weil Frauenrechte Menschenrechte sind“.

Die Diskussion – später auch unter Einbezug des Publikums – zeigte auf: ein wichtiger Treiber für den Wandel ist der Bereich Personal, der „letzten Bastion der Intuition“, wie Sattelberger. Und genau diese Intuition stehe oft einer diverseren Rekrutierung, und damit auch der Anstellung von mehr Frauen, im Weg. Bohnet machte sich deshalb stark für den Wandel von „HR“ zu „People Analytics“, wie er in den USA bereits beginnt – also mit Daten, Analysen und Objektivität zu mehr Diversität. (Corinna Hauri, Juristinnen Schweiz)